Einschätzung des Regierungsprogramms
Die ersten Tage mit der neuen Koalitionsregierung hätten für Österreichs Stromerzeuger kaum turbulenter beginnen können. Bereits vor der ersten Nationalratssitzung mit der neuen Bundesregierung wurde die E-Wirtschaft it dem Plan einer neuen Steuer überrascht. Beschlossen wurde diese dann zwar nicht, trotzdem hofft die Branche, dass es bei einem einmaligen Ereignis bleibt.

Auch wenn der „Energiewirtschaftstransformationsbeitrag“ fast so schnell verschwand, wie er gekommen war – mit der Verlängerung des Energiekrisenbeitrags-Strom bis 2030 wird die E-Wirtschaft ihren Beitrag zur Sanierung des Budgets leisten. Die Verschärfung ist mit der Herabsetzung der Schwelle für die Erlösabschöpfung von 120 Euro auf 100 beziehungsweise 90 Euro und der Erhöhung der Abschöpfungsquote von 90 auf 95 Prozent durchaus happig. Schmidt stellt deshalb unmissverständlich klar: „Auch diese Maßnahme ist schädlich. Für die Unternehmen, die Energiewende und die Preise.“
„Gerade in der aktuellen Situation ist die zusätzliche Belastung der Stromerzeugung keine gute Idee – eigentlich bräuchten wir genau das Gegenteil“, sagt Oesterreichs Energie-Präsident Michael Strugl. „Gegenüber dem, worüber Anfang der Woche als zusätzliche neue Steuer diskutiert wurde, ist dieser Zugang das geringere Übel. Trotzdem: Jeder Eingriff in den Energiemarkt ist eine Belastung für die E-Wirtschaft und wird auch vom Kapitalmarkt und von Investoren äußerst kritisch gesehen.“ Dass Investitionen in Erneuerbare jetzt aber weiterhin mit 75 Prozent der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten als Absetzbetrag berücksichtigt werden, stufen beide als die wichtigste Entscheidung ein. „Das ist in dem Ganzen die gute Nachricht“, so Schmidt. Ursprünglich sollte sogar diese Möglichkeit gestrichen werden, was Investitionen in Erneuerbare Energie deutlich unattraktiver gemacht hätte.
Kontinuität gefordert
Oesterreichs Energie hatte seit vielen Monaten eindringlich vor einer „Stop-and-Go-Politik“ beim Umbau des Energiesystems gewarnt. Fehlende Planungssicherheit ist für Investitionen Gift. Sie kostet Zeit und Geld. Bei Transformationskosten von zumindest 100 Milliarden Euro bis 2040 wirken sich Verzögerungen, Versäumnisse und Fehler verheerend aus. Umgekehrt könnten effiziente Planung und schnelle Umsetzung die Kosten merklich reduzieren. Strugl spricht von einem Potenzial von rund 30 Prozent.
Bei aller Kritik am Krisenbeitrag begrüßt Oesterreichs Energie, dass die neue Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS im Interesse der Planungssicherheit an den Energie- und Klimazielen festhält. Insbesondere die Entscheidung, Investitionen in Erneuerbare bei der Erlösabschöpfung weiterhin zu berücksichtigen, wird als Bekenntnis zum Ausbau der heimischen Erzeugung und zur Stärkung der Versorgungssicherheit gewertet. „Die E-Wirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten. Im nächsten Schritt sehen wir nun aber bei der ebenso notwendigen Entlastung der Kundinnen und Kunden die Politik am Zug“, so Strugl.
Das Regierungsprogramm mit dutzenden Vorhaben im Energiebereich und der klaren Ambition, den bereits begonnen Umbau fortzusetzen, beurteilt Oesterreichs Energie überwiegend positiv. Damit das gelingen kann, müssen die Vorhaben aber auch in gute, heißt praxistaugliche, Gesetze gegossen werden. Hier gibt es einiges an Nachholbedarf. Weil unter der neuen Regierung angesichts dringender Budgetnöte weit weniger Fördermittel fließen sollen – abgesehen vom stärkeren Ausschöpfen von EU-Mitteln bei voller Umsetzung der RED III-Richtlinie – liegt ein besonderer Fokus auf der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Anlagen und der Beseitigung von bürokratischen Hürden und Doppelgleisigkeiten. Das entspricht auch langjährigen Forderungen der Branche – dazu später mehr. Dass der Energiebereich jetzt wieder zum Wirtschaftsressort gehört, begrüßt Schmidt ausdrücklich, „weil Energiepolitik in erster Linie Standortpolitik ist“. Grundsätzlich wehrt sich Schmidt aber dagegen, in Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen. Denn für das Energiesystem der Zukunft gilt es die drei Ziele Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit gleichermaßen miteinander zu verbinden. Es sei aber gut, wenn der milliardenschwere Systemumbau auch als Wirtschaftsstandort-Programm verstanden werde.
Ob tatsächlich alle Maßnahmen und Ideen im Regierungsprogramm auf das Ziel eines möglichst schnellen und effizienten Umbaus einzahlen werden, ist derzeit noch offen. Im Rahmen des Budgetsanierungsmaßnahmengesetzes wurden neben der Verlängerung und Verschärfung des EKB-S auch das frühzeitige Auslaufen der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuerbefreiung für PV-Anlagen oder die Ausweitung der motorbezogenen Versicherungssteuer auf E-Autos beschlossen. Wiewohl ein effizienter Einsatz von Fördermittel außer Streit steht, hätte sich Oesterreichs Energie im Hinblick auf die längerfristige Planungssicherheit fließende Übergänge und das Festhalten an bereits vereinbarten Zeitplänen gewünscht. Die USt-Befreiung für PV-Module wäre ohnehin mit Jahresende ausgelaufen.

Quick Win ElWG
Was politisch sehr schnell umzusetzen ist, liegt auf der Hand. Die inzwischen ein Jahr dauernde Verzögerung des praktisch fertigen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) und des weit fortgeschrittenen Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes (EABG) sind aufzulösen. Geht es nach der Koalition sollen diese Gesetze noch vor dem Sommer beschlossen werden. Außerdem will die Regierung mit einer Reihe von Verfahrensbeschleunigungen Ernst machen. Neu dabei: Nicht nur über das EABG, sondern auch über das Betriebsanlagenrecht und bei AVG-Großverfahren (AVG = Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz) sollen die Hebel angesetzt werden.
Digitalisierung ist ein Schlüssel zur Beschleunigung, sie soll überall Erleichterungen bringen, Verfahrensabläufe und Kompetenzregelungen optimieren. Das soll große Brocken wie UVP-Verfahren genauso umfassen wie die Genehmigung von PV-Anlagen oder E-Ladestationen. Bidirektionales Laden von E-Autos und die potenzielle Nutzung als Massenspeicher fällt sinngemäß ebenfalls unter dieses Thema. Der Konsument bekommt eine aktive Rolle als Verbraucher. Das Regierungsversprechen, die Energierechnungen für die Kundinnen und Kunden einfacher zu machen mit der Option einer monatlichen Verbrauchsinformation oder Abrechnung, aus der der aktuelle Grund- und Arbeitspreis hervorgeht, begrüßt Oesterreichs Energie ebenfalls, so wie die zuvor aufgelisteten Maßnahmen.

Zur dringend notwendigen Netztarifreform findet sich im Regierungsprogramm unter der Überschrift „Zukunftsfitte und leistbare Energienetze“ der Plan, systemdienliches Verhalten zu belohnen und systembelastende Einspeisung mit höheren Netztarifen zu belegen. Sinngemäß steht dahinter das „Verursacherprinzip“ – wer also das Netz stärker belastet, soll in Zukunft auch mehr dafür bezahlen. Bei neuen Wind- und PV-Anlagen sollen künftig die Stromspitzen gekappt werden können.
Das sollte die Netzstabilität verbessern und Redispatch-Kosten verringern. Damit das Stromsystem künftig noch besser mit der schwankenden Erzeugung umgehen kann, soll es sehr viel mehr Speicher geben, die Überschussenergie aufnehmen. Den Forderungen, keine PV-Anlage ohne Speicher oder Spitzenkappung bei Bedarf, dürfte also bald nachgekommen werden. Während diese Vorhaben bei Oesterreichs Energie durchwegs begrüßt werden, wird der Plan, Energiegemeinschaften weiter zu stärken und demnach die bestehenden Begünstigungen der Netzentgelte auf einen noch größeren Kreis auszuweiten kritisch gesehen, zumal dies auch EU-rechtlich nicht vorgesehen ist. Hintergrund: Müssen bestimmte Gruppen im System weniger beitragen, verteilen sie die verbleibenden Kosten auf die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Für sie wird das System also teurer. Eine Evaluierung der bestehenden Begünstigungen von Energiegemeinschaften hält man bei Oesterreichs Energie indes für sinnvoll.
Kostentreiber Erdkabel
Dass sich im Regierungsprogramm neben Maßnahmen zur Senkung der Netzkosten auch ein Vorschlag zur Erhöhung der Akzeptanz von 110 kV-Leitungen durch den Einsatz von Erdkabeln findet, sieht Österreichs E-Wirtschaft ebenfalls kritisch. Zwar ist im Regierungstext von „einer begründeten Notwendigkeit“ die Rede und einer Einschränkung auf Fälle, in denen eine „technisch sowie wirtschaftlich effiziente“ Ausführung möglich ist. Trotzdem weckt eine derartige Regelung teure Begehrlichkeiten. Die Branche geht davon aus, dass die Mehrkosten von Erdkabel gegenüber Freileitung in vielen Fällen deutlich über dem genannten Kostenfaktor von 1,8 liegen. Am Ende landen diese zu erwartenden Mehrkosten in Form hoher Netztarife bei den Stromkundinnen und -kunden.
Um die Netzausbaukosten möglichst günstig stemmen zu können, ist ein Transformationsfonds geplant. In dem Zusammenhang sind zahlreiche Finanzierungsinstrumente angedacht, etwa Kredite über Förderbanken, ausgestattet mit öffentlichen Garantien und Haftungen oder PPP-Modellen. Zudem will man den Einsatz von Contracts for Difference prüfen, die in anderen Ländern bereits eingesetzt werden, um Investitionen in Erneuerbare attraktiv zu halten – unabhängig von Fördermitteln und starken Preisschwankungen.
Für die übergeordnete und langfristige Sicherstellung der Versorgungssicherheit steht zudem die Entwicklung einer neuen Kraftwerksstrategie auf der Agenda der neuen Bundesregierung. Die ist nicht zuletzt notwendig, weil auch neue thermische Kraftwerke, die mit grünem Gas betrieben werden, für die Versorgungssicherheit notwendig sein werden. Auch die Etablierung eines Wasserstoffstart- und Kernnetzes sieht Oesterreichs Energie positiv. Begrüßt wird außerdem die geplante ressortübergreifende Erarbeitung einer Blackout-Strategie zur Sicherstellung einer gesamtstaatlichen Notfallvorsorge für den Fall der Fälle.
Rasch dürften die Themen Sozialtarif für energiearme Haushalte und Rückvergütung von Energieabgaben für die energieintensive Industrie in der politischen Debatte aufgegriffen werden. Hier sieht Oesterreichs Energie die Politik in der Pflicht: Ein Sozialtarif muss in jedem Fall öffentlich finanziert werden. Zudem pocht die Branche auf einen Vorschlag, der in der Unternehmensrealität effizient und sauber umsetzbar ist. Noch dringender aus Sicht der E-Wirtschaft wäre aber eine rasche rechtliche Klärung der Rechtsunsicherheiten bei Vertragsänderungen – diese wird im Regierungsprogramm zwar „angestrebt“, konkrete Vorschläge gibt es bislang aber nicht.

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