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Die ökosoziale Steuerreform und die Energiewirtschaft

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Die ökosoziale Steuerreform steht. Ihre Auswirkungen auf die Energiewirtschaft sind umfassend, komplex und nicht immer leicht einzuordnen. Wir versuchen es trotzdem.

Mit 2022 tritt die ökosoziale Steuerreform in Kraft. Doch wie wird sie sich auf die Energiewirtschaft auswirken? Kann die Energiewirtschaft die an sie gestellten Herausforderungen bewältigen? Müssen neue Vereinbarungen zur Energie­effizienz überlegt werden? Und: Was wäre abseits der CO2-Bepreisung wichtig, um die Energie­wende zu schaffen? Wir haben Ökonomen und Brancheninsider nach ihrer Einschätzung zu den wichtigsten Punkten der Reform gefragt.

Michael Strugl
„Mit der CO2-Bepreisung wurden zwei Forderungen der E-Wirtschaft erfüllt: Künftig sind alle Sektoren erfasst und Erlöse werden für not­wendige Entlastungen verwendet.“ Michael Strugl Oesterreichs Energie
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1. CO2-Bepreisung

Der Kernpunkt der ökosozialen Steuerreform. Doch ist der Preis auch so gestaltet, dass er die Energiewende vorantreibt?

Um diese Zahl wurde lange gerungen: 30. Kein Wunder, sie ist der zentrale Punkt der ökosozialen Steuerreform. Mit 30 Euro soll ab 2022 die Tonne CO2 in all jenen Bereichen bepreist werden, die nicht ohnehin vom europäischen Emissionshandel erfasst sind. Ob dieses Niveau ausreichend oder ganz im Gegenteil viel zu niedrig ist, wird bis heute diskutiert.

 

Jürgen Schneider, für Klima und Energie zuständiger Sektionschef im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, sieht den, wie er selbst zugibt, eher moderaten Einstiegspreis auf jeden Fall als einen Meilenstein. Denn zum einen, sagt er, würden die Beiträge ja kontinuierlich steigen, zum anderen sei nun ein Punkt erreicht, ab dem das neue System laufe: „Das wird nicht mehr rückgängig zu machen sein. Bis Ende 2025 wird es steigende Fixpreise geben und dann den Übergang zu einem Cap-and-Trade-System.“
Dass mit dem System allmählich steigender Preise ein Zugang gewählt wurde, der den CO2-Verbrauch beim Wohnen und Verkehr auf eine vorhersehbare Weise verteuern will, sehen auch viele Ökonomen positiv. So findet etwa Friedrich Seefeldt, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos: „Preisschwankungen stressen Unternehmen und Bürger. Insofern ist es richtig, zu starke Preisschwankungen abzufedern.“

„Die CO2-Bepreisung wird nicht mehr rückgängig zu machen sein. Bis Ende 2025 wird es steigende Fixpreise geben und dann den Übergang zu einem Cap-and-Trade-System.“ Jürgen Schneider Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK)

Auch Margit Schratzenstaller, Steuerexpertin am österreichischen Wifo, findet den Zugang, den CO2-Preis von Jahr zu Jahr ansteigen zu lassen, sinnvoll: „Das ist das richtige Signal, um zu zeigen, dass sich fossile Energie in Zukunft nicht mehr rechnen wird. Darauf können sich die Verbraucher einstellen“, sagt sie. Der Einstiegspreis hätte ihrer Meinung nach allerdings auch etwas ambitionierter ausfallen können.

Wobei die CO2-Bepreisung ja nur eine Maßnahme unter vielen sei, die den Ausstieg aus der fossilen Energie ankurbeln solle, neben zum Beispiel dem Klimaticket, der Förderung des Kesseltausches oder der E-Mobilität, wie Angela Köppl erwähnt, ebenfalls Ökonomin am Wifo und Spezialistin für Energie- und Klimapolitik. Für den Präsidenten von Oesterreichs Energie und Vorstandsvorsitzenden von Verbund AG, Michael Strugl, fällt das Urteil zur CO2-Bepreisung jedenfalls im Kern positiv aus. „Es sind zwei wesentliche Forderungen der Energiewirtschaft erfüllt worden. Zum einen gibt es nun eine CO2-Bepreisung in allen Sektoren, also nicht nur dort, wo das europäische Handelssystem wirkt, sondern auch im Mobilitätssektor und bei der Raumwärme. Und es gibt zweitens ein Einnahmenrecycling. Das heißt, das Geld kommt nicht einfach ins Budget, sondern wird dazu verwendet, um dort zu entlasten, wo es notwendig ist.“

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2. Infrastruktur

Die Energiewende ist eine gigantische Infrastruktur­herausforderung. Wo hilft die ökosoziale Steuerreform dabei, wo gibt es Verbesserungsbedarf?

Für die österreichische Energiewirtschaft bedeutet die Energiewende die Notwendigkeit von massiven Investitionen. In diesem Zusammenhang beurteilt die Energiewirtschaft die ökosoziale Steuerreform und die Maßnahmen rund um diese Reform zwar mehrheitlich positiv, in einigen Bereichen sieht sie aber auch durchaus Verbesserungs- bzw. Klärungsbedarf.

„Die Energiewirtschaft ist mit der ökosozialen Steuerreform grundsätzlich zufrieden. Einige eingebrachte Vorschläge wurden berücksichtigt. Die Branche braucht und erhielt beispielsweise Rechtssicherheit, etwa was die steuerliche Nutzungsdauer von Anlagen betrifft. Das bedeutet aber nicht, dass schon alle unsere Wünsche zur steuerlichen Entlastung erfüllt wurden“, sagt Thomas Possert, Geschäftsführer der Energie Steiermark Finanz Service GmbH und Vorsitzender des Ausschusses Betriebswirtschaft und Steuern bei Oesterreichs Energie.

Wie andere Fachleute weist Possert darauf hin, dass die Energiewende über die Mehrwertsteuer auch Einnahmen für den Staat generiere: „Für jede private PV-Anlage, die aufgestellt wird, für jede Wärmepumpe, die installiert wird, für jede Wallbox werden zwanzig Prozent Umsatzsteuer eingehoben.“ Zugleich werde von der Energiewirtschaft erwartet, dass sie jene Infrastruktur aufbaue, die die Energiewende möglich machen solle. Dass das ohne massive Unterstützung nicht gehen werde, sei klar: „Das sind enorme Investitionen, zu deren Realisierung steuerliche Unterstützung erforderlich ist. Es muss jedenfalls dazu beigetragen werden, dass die Energieunternehmen die dafür notwendige Liquidität haben“, sagt er.

Auf den hohen Investitionsbedarf weist auch Angela Köppl vom Wifo hin: „Das betrifft nicht nur die Netze selbst, sondern auch die Speichertechnologien, die thermische Sanierung von Gebäuden, den Umstieg auf nicht-fossile Energiebereitstellung für bestehende Gebäude.“ Ihr Fazit ist dem von Thomas Possert ähnlich: „Es wird nötig sein, dass der Bund auch mit entsprechenden Finanzierungsmitteln unterstützt.“

„Der Investitions­bedarf betrifft nicht nur die Netze selbst, sondern auch die Speichertechnologien, die thermische Sanierung von Gebäuden, den Umstieg auf nicht-fossile Energiebereitstellung.“ Angela Köppl Wifo

Für Diskussionen sorgt aber auch die Frage, ob und wie Energieunternehmen ihre Mehrkosten in Zukunft an ihre Kunden verrechnen können. „Die große Frage einer Verhaltensbeeinflussung durch Steuern ist, wie diese Bepreisung beim Endkunden ankommen wird. Das wird nur gehen, wenn die Energieanbieter sie auch transparent weitergeben können“, sagt der Steuerexperte Possert.

Dort, wo es mit Kunden Einzelverträge gibt, dürfte das relativ leicht sein. Überall dort, wo Kunden auf Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beliefert werden, ist die rechtliche Situation im Moment aber schwieriger. „Allein der Verwaltungs- und Kommunikationsaufwand für daraus resultierende Anpassungen wäre immens. Da ist also dringend eine praktikable unbürokratische Lösung und Rechtssicherheit nötig“, erklärt Possert.

Jürgen Schneider vom Klimaschutzministerium findet, dass die Frage der Mehrkosten auf jeden Fall nach einer guten Balance verlange: „Die Frage, inwiefern Stromversorger Preiserhöhungen aufgrund der gestiegenen Großhandelspreise, die wiederum vor allem durch einen Anstieg des globalen Preises von fossilem Erdgas bedingt sind, an die Kunden weitergeben können, sollte auf eine Art gelöst werden, die sowohl die berechtigten Interessen der Konsumenten als auch der Versorger berücksichtigt.“

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3. Energieeffizienzvorgaben

Österreich ist nach EU-Recht verpflichtet, bestimmte Energieeffizienzvorgaben einzuhalten. Welche Rolle kann die ökosoziale Steuerreform dabei spielen?

Die Materie ist zwar etwas spröde, verdient wegen ihrer Bedeutung dennoch genauer erklärt zu werden: der mögliche Einfluss der ökosozialen Steuerreform auf Österreichs Energieeffizienz-Verpflichtungen. Die ergeben sich aus den beiden Energieeffizienzrichtlinien der EU. Die erste wurde 2012, die zweite 2018 verabschiedet. Österreich hat die erste Richtlinie mit dem Energieeffizienzgesetz umgesetzt, das die konkreten Einsparungsmodalitäten für den Zeitraum von 2014 bis Ende 2020 festschrieb. Die zweite Richtlinie hingegen ist bislang trotz Verstreichen der EU-Umsetzungsfrist noch nicht in nationales Recht überführt worden. Die Diskussion um zukünftige Energieeffizienzvorhaben wird dadurch nicht gerade erleichtert.

Unklar ist etwa, ob Österreich bei jenem Einsparungsziel bleibt, das sich aus den EU-Vorgaben ergibt – das wären kumuliert 500 Petajoule – oder ob man sich zu einem höheren Wert verpflichtet. „Es ist gut möglich, dass sich die österreichische Bundesregierung ein noch ambitionierteres Ziel setzt“, urteilt Michael Baminger, Geschäftsführer der Energie AG Oberösterreich Vertrieb GmbH und bei Oesterreichs Energie Vorsitzender des Arbeitskreises Endenergieeffizienz.

Unklar ist derzeit aber auch, wie die Einsparungsziele in Zukunft aufgeteilt werden sollen. Bislang galt eine Fifty-Fifty-Regelung, bei der die eine Hälfte der Verpflichtungen die Republik durch strategische Maßnahmen aufbringt, während die andere Hälfte an die Energiewirtschaft weitergereicht wird.

„Der steigende CO2-Preis ist das richtige Signal, um zu zeigen, dass sich fossile Energie in Zukunft nicht mehr rechnen wird. Darauf können sich die Verbraucher einstellen.“ Margit Schratzenstaller Wifo

Mit der ökosozialen Steuerreform habe sich die Ausgangslage aber verändert, findet Baminger. Denn die CO2-Bepreisung werde zu einem geänderten, effizienteren Verbraucherverhalten führen. „Mit der Einführung der CO2-Bepreisung im Rahmen der ökosozialen Steuerreform hat der Staat nun einen Hebel in der Hand, mit dem er auf einen Schlag ersten Schätzungen zufolge zumindest 160 Petajoule einsparen kann.“

Die Energiewirtschaft hat diese Möglichkeit nicht. Aus diesem Grund solle, meint Baminger, nun der Verteilungsschlüssel verändert werden. „Aus unserer Sicht wäre es nur gerecht wenn diese 160 Petajoule von der Einsparungssumme, die zwischen Republik und Energiewirtschaft geteilt wird, ausgenommen werden. Beträgt also das Ziel weiterhin 500 Petajoule, blieben nach dem Abzug von 160 Petajoule 340 Petajoule, die dann aufgeteilt werden.“

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4. Kontraproduktive Anreize?

Gibt es innerhalb der ökosozialen Steuerreform auch Elemente, die dem Wunsch nach einer zügigen Energiewende widersprechen?

Der Klimabonus ist einer der Kernpunkte der ökosozialen Steuerreform. Er soll garantieren, dass die Reform sozial ausgewogen ist. Mehrausgaben, die für die Endverbraucher durch die Einführung einer CO2-Bepreisung entstehen, werden mit dem Klimabonus ausgeglichen. Dieser regional gestaffelte Mechanismus – je nach Region und infrastrukturellen Gegebenheiten soll es 100, 133, 167 oder 200 Euro Klimabonus pro Kopf geben – hat auch Kritiker auf den Plan gerufen. Wenn man auf der einen Seite klimaschädliches Verhalten mit einer CO2-Bepreisung bestrafe, gleichzeitig aber den Betroffenen die Strafe rückvergüte, werde der gewünschte Lenkungseffekt massiv verwässert, sagen sie.

 

Für den Prognos-Chef Friedrich Seefeldt ist der Einwand zwar nachvollziehbar, er hält dem aber entgegen, dass die Rückvergütung nichts daran ändere, dass jene Verbraucher, die sich klimafreundlich verhalten würden, am Ende doch besser aussteigen würden: „Wenn eine konsumtive Steuer per Verbrauchseinheit erhoben wird und ich als Bürger eine Pauschale zurückbekomme, bleibt ein Anreiz für mich, den Verbrauch zu senken: Die 100 Euro bekomme ich ja so oder so voraussetzungsfrei und kann trotzdem ordentlich sparen, je weniger ich fahre, je besser mein Haus gedämmt ist und je weniger Heizöl ich verbrauche.“Zweifel, dass die hundert Euro ausreichen, um die Mehrkosten aufzufangen, bestehen unter Ökonomen kaum. Im Gegenteil, die Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller meint, hundert Euro pro Jahr mögen zwar wenig klingen, bei dem jetzigen CO2-Preis würden die Mehrbelastungen aber schon durch diese 100 Euro überkompensiert: „Das zeigt, wie niedrig die jetzige CO2-Bepreisung eigentlich ist.“

„Wenn eine konsumtive Steuer per Verbrauchseinheit erhoben wird und ich als Bürger eine Pauschale zurück­bekomme, bleibt ein Anreiz für mich, den Verbrauch zu senken.“ Friedrich Seefeldt Prognos

Stärker als den relativ niedrigen Einstiegspreis, der ja ohnehin steigen soll, kritisieren Fachleute aber jene kontraproduktiven Anreize, die trotz der ökosozialen Steuerreform nach wie vor bestehen blieben und klimaschädliches Verhalten subventionieren: das Dieselprivileg, die Pendlerpauschale oder auch das Dienstwagenprivileg.

Auch Steuerexperte Thomas Possert schließt sich dieser Kritik an. Im Sinne der Energiewirtschaft wäre es, sagt er, auf jeden Fall wichtig, nicht bei der CO2-Bepreisung stehen zu bleiben, sondern auch jene Regelungen zu hinterfragen, die zum Beispiel den Flächenverbrauch fördern würden. „Das beginnt beim Dieselprivileg und geht weiter bis zum Thema Zersiedelung und zu dem dadurch erforderlichen Ressourcenverbrauch für Netzerschließung. Da bleibt abseits der CO2-Bepreisung noch viel zu tun.“

Die Position von Oesterreichs Energie

  • Klare Lenkungseffekte durch CO2-Bepreisung langfristig sicherstellen
  • Berücksichtigung der CO2-Bepreisung als strategische Maßnahme im kommenden Energieeffizienzgesetz
  • Realistische Ziele bei Energieeffizienz
  • Schaffung einer rechtssicheren Möglichkeit zur Kostenweitergabe bei CO2-Bepreisung und Energieeffizienz
  • Kontinuierliche Mittel für Fördermaßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen

Ökosoziale Steuerreform – die Kernpunkte

Sie startet 2022 mit 30 Euro pro Tonne und wird bis Ende 2025 schrittweise auf 55 Euro ansteigen, danach soll ein Marktpreis gelten, der ähnlich wie im Emissions­zertifikate-Handel ermittelt wird.

Der Klimabonus soll den End­verbrauchern die Mehrbelastung durch die CO2-Bepreisung aus­gleichen. Er liegt zwischen 100 und 200 Euro pro Person und Jahr abhängig von den regionalen Infrastrukturvoraussetzungen wie etwa dem Zugang zu öffentlichem Verkehr.

Für Unternehmen, bei denen ein Wechsel auf CO2-freie Alternativen derzeit nicht möglich ist, wird es Sonderregelungen geben, um ein Verlagern der Emissionen in Drittstaaten zu verhindern, ebenso für Unternehmen mit überdurchschnittlich hohem Anteil der Energie an den Gesamtkosten.