CO2-Bepreisung: Die weltweiten Modelle im Vergleich
Die Diskussion um eine Karbonsteuer flammt auch in Österreich immer wieder auf. Von Formen direkter Abgabe bis zum Emissionshandel, wie er auch in der EU gilt: Die Modelle sind international aber höchst unterschiedlich. Ein Überblick.
Der Befund des renommierten Oxford Institute for Energy Studies (OIES) fällt nicht optimistisch aus: „Die CO2-Bepreisung in Europa ist ein kompliziertes Durcheinander unterschiedlichster Mechanismen und Preisniveaus in den einzelnen Ländern und Industriezweigen. Durch den Austritt Großbritanniens aus der EU und das Fehlschlagen des Versuchs, den EU-Emissionshandel mit dem britischen System zu verbinden, hat sie einen erheblichen Rückschlag erlitten. Es gab auch Erfolge, etwa die Einführung einer Preisuntergrenze in Großbritannien sowie der Preisanstieg im EU-Emissionshandelssystem nach dessen Reform.“
Handel oder Steuer?Wie das OIES erläutert, gebe es primär zwei Instrumente für eine CO2-Bepreisung: ein Emissionshandelssystem nach Art des europäischen EU-ETS und CO2-Steuern. CO2-Steuern seien laut dem OIES bereits 1990 in Finnland und in Polen eingeführt worden. Die polnischen Steuern sind mit gerade einmal 9 Cent pro Tonne allerdings kaum ernst zu nehmen. Mittlerweile hebt eine Reihe weiterer EU-Mitgliedsstaten CO2-Steuern ein. Ihre Höhe bewegt sich zwischen zehn Euro pro Tonne CO2-Äquivalent in Lettland und 119 Euro in Schweden. Soweit die Energiewirtschaft und die Industrie in das EU-ETS einbezogen sind, sind sie von der CO2-Steuer ausgenommen.
Welche Modelle der verpflichtenden CO2-Bepreiung gibt es?
Direkte Steuern bzw. andere Formen von Abgaben auf den Ausstoß von Treibhausgasen sowie Steuern auf die Nutzung von Kraft- und Brennstoffen. Letztere werden häufig nach den Emissionen bei Verbrauch eines Liters bzw. Tonne Kraft- oder Brennstoff bemessen. Die Emissionen aus der Verwendung fossiler Kraft- und Brennstoffe werden bisweilen auch indirekt besteuert, etwa durch die Abschaffung von Subventionen für deren Nutzung.
Bei „Cap-and-Trade“-Systemen werden für die betroffenen Anlagen bzw. Unternehmen Emissionsobergrenzen („Caps“) festgelegt. Deren Einhaltung ist gegenüber den Behörden durch Abgabe einer entsprechenden Anzahl von – üblicherweise handelbaren - Emissionszertifikaten nachzuweisen. Diese Zertifikate werden entweder kostenlos oder entgeltlich zugeteilt, Letzteres bisweilen über Auktionen. Wer die Obergrenze überschreitet, muss zusätzliche Zertifikate erwerben.
Bei „Baseline-and-Credit“-Systemen werden ebenfalls Emissionsobergrenzen („Baselines“) für Anlagen und/oder Unternehmen festgelegt. Liegen die Emissionen einer betroffenen Einrichtung unter der „Baseline“, erhält deren Betreiber kostenlose Emissionszertifikate („Credit“). Diese kann er an die Betreiber von Einrichtungen verkaufen, deren Emissionen über der jeweiligen „Baseline“ liegen.
Quelle: Weltbank
In Deutschland gilt seit heuer ein Emissionshandelssystem für die vom EU-ETS nicht erfassten Sektoren, also Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Aufgrund des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) haben die Händler die CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Kraft- und Brennstoffe mit Emissionszertifikaten abzudecken. Diese werden von den Behörden an die Unternehmen verkauft. Jeder Händler habe „jährlich bis zum 30. September an die zuständige Behörde eine Anzahl von Emissionszertifikaten abzugeben, die der berichteten Gesamtmenge an Brennstoffemissionen im vorangegangenen Kalenderjahr entspricht“.
Im Jahr 2026 werden die Zertifikate zu einem Preis von 55 bis 65 Euro versteigert. Unternehmen, die nicht über ausreichende Mengen an Zertifikaten verfügen, haben eine Strafe in der doppelten Höhe des Zertifikatpreises zu bezahlen. Auch ab 2027 werden die Zertifikate von den Behörden versteigert – ob mit Preiskorridor ist offen.
Die Niederlande wiederum sind dabei, eine CO2-Steuer zu implementieren. Ihre Untergrenze liegt bei 30 Euro je Tonne CO2-Äquivalent, bis 2030 soll sie auf 125 Euro je Tonne klettern. Betroffen sein werden auch jene Unternehmen, die am europäischen Emissionshandelssystem EU-ETS teilnehmen müssen. Zu bezahlen ist die Steuer auch dann, wenn die Preise für Emissionszertifikate im Rahmen des EU-ETS, die sogenannten „European Union Allowances“ (EUAs), den niederländischen Mindestpreis übersteigen.
Beispiele aus Europa
In Deutschland gilt seit Jahresbeginn ein nationales Emissionshandelssystem für nicht vom EU-Emissionshandel erfasste Sektoren, also Verkehr, Bau und Landwirtschaft. Für heuer gilt ein Preis von 25 Euro je Zertifikat (Tonne CO2-Äquivalent). Dieser steigt jährlich um fünf Euro. Unternehmen, die nicht über ausreichende Mengen an Zertifikaten verfügen, haben eine Strafe in der doppelten Höhe des Zertifikatpreises zu bezahlen.
Die Niederlande sind dabei, eine CO2-Steuer für alle Unternehmen (auch die am EU-ETS teilnehmenden) zu implementieren. Ihre Untergrenze liegt bei 30 Euro je Tonne CO2-Äquivalent, bis 2030 soll sie auf 125 Euro je Tonne klettern.
Im Zuge einer umfassenden Steuerreform, bei der die Steuern auf Arbeit gesenkt wurden, führte Schweden bereits 1991 eine CO2-Steuer auf Kraft- und Brennstoffe ein. Diese stieg von 24 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent im Jahr 1991 auf 119 Euro. Laut dem schwedischen Finanzministerium sanken dadurch die CO2-Emissionen von 1990 bis 2018 um rund 27 Prozent, während das BIP um 83 Prozent wuchs.
EU-ETS am wichtigsten
Als derzeit weitaus wichtigstes Instrument zur CO2-Bepreisung in der EU gilt das 2005 eingeführte EU-ETS. Es deckt etwa 40 Prozent der in der EU anfallenden und fünf Prozent der weltweiten Emissionen ab. Eingebunden sind die EU-27, Island, Liechtenstein und Norwegen sowie, trotz des EU-Austritts Großbritanniens, Nordirland.
Das ETS legt EU-weit Emissionsobergrenzen für die Energiewirtschaft und die energieintensive Industrie sowie die innereuropäische Luftfahrt fest. Die je Anlage erlaubte Emissionsmenge ist mit einer entsprechenden Anzahl von Emissionszertifikaten (EUAs) abzudecken, die jeweils eine Tonne CO2 repräsentieren. Für heuer plant die EU-Kommission Vorschläge zur weiteren Reform des ETS sowie zur Neugestaltung der Energiesteuern. Eine wesentliche Rolle dabei spielt die Einführung eines CO2-Zolls auf Produkte aus Drittländern. Mit einem solchen „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CBAM) soll die Einfuhr von Gütern aus Staaten verteuert werden, deren klimapolitische Ambitionen hinter denen der EU zurückbleiben.
Weltweit Initiativen
Auch außerhalb der EU gibt es CO2-Bepreisungen bzw. Bestrebungen, solche einzuführen. Das zeigt der jährlich erscheinende Weltbank-Bericht „State and Trends of Carbon Pricing“. Ihm zufolge waren 2020 weltweit 61 entsprechende Systeme in Kraft oder in Einführung begriffen, davon 31 Emissionshandelssysteme und 30 CO2-Steuer-Modelle. Abgedeckt wurden rund zwölf Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent, also etwa 22 Prozent der weltweiten Emissionen. Kanada führte 2019 ein Emissionshandelssystem ein, das in den 13 Bundesstaaten unterschiedlich gestaltet ist. In Chile gilt eine CO2-Steuer von 4,1 Euro je Tonne. Zu bezahlen ist diese für Anlagen, die mehr als 25.000 Tonnen CO2 pro Jahr emittieren. Laut der International Carbon Action Partnership (ICAP) ging in China heuer das größte Emissionshandelssystem der Welt in Betrieb. Abgedeckt werden etwa vier Milliarden Tonnen an CO2-Emissionen aus Kohle- und Gaskraftwerken.
Bis 2060 will das Land vollständig klimaneutral werden. Mexiko etablierte 2020 ein Pilotprojekt für den Handel mit CO2-Zertifikaten, das 40 Prozent der Emissionen des Landes abdeckt. Nach Adaptionen soll das System 2023 in den „Echtbetrieb“ gehen. In Südkorea besteht ein Emissionshandelssystem, das ständig an die Entwicklung der internationalen Klimapolitik angepasst wird. Da für die laufende dritte Handelsperiode mit einem Überangebot an Zertifikaten gerechnet wird, gilt seit April ein Mindestpreis von 9,50 Euro je Tonne. US-Präsident Joseph Biden kündigte bei seinem Gipfeltreffen mit 40 Staats- und Regierungschefs am 23. April an, die CO2-Emissionen seines Landes bis 2030 gegenüber 2005 um 50 bis 52 zu senken. Ob dies mit einem Emissionshandelssystem oder mit einer CO2-Besteuerung erfolgen soll, sagte Biden indessen nicht.
Ernüchternder Befund
Laut der OECD ist die Bepreisung von CO2-Emissionen ein wesentliches Mittel zu deren Verringerung. Mit der Einführung wirksamer Preise ist die internationale Staatengemeinschaft aber noch nicht sehr weit.
Alljährlich veröffentlicht die OECD ihren „Effective Carbon Rates“-Bericht (ECR-Bericht). Sie fasst darin zusammen, wie ihre Mitgliedsstaaten sowie die 20 wirtschaftlich stärksten Nationen (G20) ihre CO2-Emissionen aus dem Energieeinsatz bepreisen. Bei den Berechnungen der „Effective Carbon Rate“ (ECR) eines Staates berücksichtigt die OECD Kraftstoffbesteuerung, CO2-Steuern und die Kosten für CO2-Zertifikate im Rahmen von Emissionshandelssystemen wie dem europäischen EU-ETS. Wie die OECD berechnete, vermindert der Anstieg der ECR um zehn Euro je Tonne CO2 die Emissionen um durchschnittlich 7,3 Prozent. Die OECD betrachtet die CO2-Bepreisung grundsätzlich als sehr wirksames Mittel zur Emissionsverringerung. Großbritannien erhöhte seine ECR von rund sieben Euro je Tonne im Jahr 2012 auf 36 Euro im Jahr 2018. Im selben Zeitraum sanken die CO2-Emissionen in der Elektrizitätswirtschaft um rund 73 Prozent. Im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems EU-ETS wiederum stiegen die Preise für Emissionszertifikate (EUAs) von 16 Euro im Jahr 2018 auf 25 Euro im Jahr 2019, also um etwa 56,2 Prozent. Dies führte zu einem Rückgang der Emissionen um 8,9 Prozent.
Eine Zusammenfassung des Berichts ist nach Anmeldung kostenlos verfügbar unter: www.oecd-ilibrary.org