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Barbara Schmidt im Interview: Vom Netzausbau bis zu flexiblen Tarifen

Das ElWG soll Österreichs Stromsystem fit für die Zukunft machen – und löst hitzige Debatten aus. Im Interview spricht Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, über Chancen, Kritikpunkte und die Frage, wie das Gesetz am Ende leistbare Energie für alle sichern kann.
 

StromLinie: Die Begutachtung des ElWG hat über 550 Stellungnahmen ausgelöst. Wie ordnen Sie das ein?

Barbara Schmidt: Die breite Resonanz zeigt die enorme Bedeutung des Gesetzes. Jetzt geht es darum, offene Fragen konstruktiv zu klären und den Blick aufs große Ganze zu richten. Der Entwurf ist über weite Strecken gut und zielführend – mit vielen richtigen Ansätzen, um unser Stromsystem zukunftsfit zu machen.

Dr. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie

„Unsere Branche investiert in eine sichere, saubere und leistbare Zukunft – dafür brauchen wir stabile Rahmenbedingungen.“

Barbara Schmidt Generalsekretärin Oesterreichs Energie

Welche Elemente im aktuellen Entwurf bewerten Sie positiv?

Schmidt: Das ElWG ist ein zentraler Baustein für die Energieversorgung der Zukunft. Flexible Netzentgelte, die Spitzenkappung bei Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie die digitale Rechnungslegung – diese Instrumente erhöhen unter anderem die Effizienz und Systemdienlichkeit und verbessern das Service für Kundinnen und Kunden. Kurz: Sie machen das Stromsystem effizienter, flexibler und kundenfreundlicher.

Wo sehen Sie konkreten Nach­besserungsbedarf?

Schmidt: Wie wir auch in unserer Stellungnahme an das Ministerium festgehalten haben, braucht es aus Sicht der E-Wirtschaft insbesondere Nachbesserungen bei den Netzentgelten für Erzeuger – die wir grundsätzlich als nicht förderlich sehen und daher ablehnen –, bezüglich der Rechtssicherheit bei Preisanpassungen sowie zur Klarheit bei der Entlastung von Speichern von doppelten Netzentgelten. Bei aller Kritik, die auch von vielen anderen Stakeholdern am Gesetz geäußert wird, ist mir in der aktuellen Phase der Überarbeitung besonders wichtig zu betonen: Anpassungen müssen systemdienlich sein – nicht Ausdruck einzelner Partikularinteressen. Die laufende Diskussion ist eine Chance, Annahmen kritisch zu prüfen und Maßnahmen zielgerichtet auszurichten. Am Ende wird es aber auch Kompromisse brauchen, damit ein mehrheitsfähiger Entwurf zustande kommt.

Vor allem über die gestiegenen Stromrechnungen wurde in den vergangenen Wochen wieder viel diskutiert. Wie kann das ElWG dazu beitragen, Kosten zu senken?

Schmidt: Klar ist: Wir bauen jetzt die Infrastruktur für die nächsten Jahrzehnte und digitalisieren diese und das kostet Geld – wir müssen jeden Euro effizient einsetzen und können mit klugen Maßnahmen die Kosten dämpfen. Spitzenkappungen entlasten das Netz und würden somit bei geringen Erzeugungseinbußen einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen. Zudem ist es auch sinnvoll, bei der Verteilung der Netzkosten mehr Flexibilität zu honorieren. Wer Strom dann verbraucht oder speichert, wenn viel erzeugt wird, und einspeist, wenn wenig vorhanden ist und sich somit netzdienlich verhält, soll das auf der Rechnung merken.

Bezüglich der Verteilung der Netzentgelte wird auch überlegt, die Stromproduzenten stärker zur Kasse zu bitten. Wie stehen Sie zu neuen Netzentgelten für Stromerzeuger?

Schmidt: Anstatt den gesamtheitlichen Ansatz leistbarer Energie zu verfolgen – wofür wir vor allem mehr heimische Erzeugung brauchen –, würden neue Netzentgelte für Produzenten diesem Ziel entgegenlaufen. Zusätzliche Belastungen würden jede Kilowattstunde verteuern und Investitionen unsicherer machen. Wir wissen ja nicht, wie hoch diese Tarife ausfallen werden, das bringt Unsicherheit und macht Finanzierungen teurer. Die Folge wäre weniger österreichische Erzeugung, mehr Importstrom – auch fossiler oder Atomstrom. Das widerspricht Preisstabilität, Klimazielen und Versorgungssicherheit. Also genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. 

Was sollte stattdessen getan werden? Was ist der Schlüssel zu dauerhaft sinkenden Preisen?

Schmidt: Der konsequente Ausbau heimischer Erzeugung. Dafür brauchen wir schnellere Genehmigungen, stabile Investitionsbedingungen und einen gut abgestimmten Netzausbau. Außerdem müssen wir mit der Elektrifizierung weiterkommen – in der Raumwärme, in der Mobilität und in der Industrie. Je mehr Strom aus dem Netz entnommen wird, desto günstiger ist es für jeden Einzelnen. Das sind keine neuen Forderungen – aber in Zeiten, in denen die Transformation zügig weitergehen muss und der Wirtschaftsstandort und die Kaufkraft unter Druck stehen, sind sie dringlicher denn je. Unsere Branche übernimmt Verantwortung und investiert in eine sichere, saubere und leistbare Zukunft. Dafür brauchen wir Rahmenbedingungen und eine positive Stimmung. Das aktuelle Bashing der Branche von allen Seiten ist hier kontraproduktiv.

Was muss der Gesetzgeber jetzt tun?

Schmidt: Das Rezept für leistbare Energie im ElWG verankern, gute Vorschläge beibehalten und dort nachschärfen, wo technische, rechtliche oder systemische Gründe es verlangen. Entscheidend ist, das Gesamtbild im Blick zu behalten: zentrale Fragen klären, statt um Ausnahmen und letzte Details zu ringen, und einen klaren Fahrplan zum Beschluss vorlegen. Wir haben unsere Anmerkungen eingebracht. Jetzt liegt es an der Bundesregierung, gesamthaft sinnvolle Lösungen und Kompromisse auszuloten und ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das auch im Parlament eine Zweidrittelmehrheit findet.

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