Barbara Schmidt im Interview
Endlich gibt es eine neue Regierung – und mit ihr ein Regierungsprogramm, das auch einige Maßnahmen für den Energiesektor vorsieht. Neben begrüßenswerten Neuerungen gibt es auch Kritik aus der E-Wirtschaft. Wo geht’s voran, wo klemmt’s? Ein Gespräch mit Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie.
StromLinie: Der Branchenverband fordert seit Langem einen Schulterschluss für die Transformation und eine „rot-weiß-rote unideologische Energiepolitik“. Wie liest sich aus diesem Blickwinkel betrachtet das Regierungsprogramm?
Barbara Schmidt: Viele der Überschriften sind gut – abgesehen von ein paar wenigen Dingen, von denen der Standortbeitrag der gravierendste ist. Positiv ist das Festhalten am Ziel der Klimaneutralität 2040. Ein Aufweichen hätte dazu geführt, dass man sich zurücklehnt. Das darf aber nicht passieren, weil die Transformation komplex und teuer ist und mangelnde Planbarkeit Riesenprobleme macht. Dass das Thema Energie nun im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, wird von uns begrüßt, denn Energiepolitik ist Standortpolitik. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich deutlich gezeigt, dass leistbare Energie eine zentrale Rolle für die Wirtschaft spielt. Im Regierungsprogramm finden sich aber auch viele Schlagworte, wo sich noch zeigen muss, wie in der Praxis daraus gute Gesetze werden.
Das ElWG und das EABG liegen doch praktisch fertig auf dem Tisch. Wann wird das nun wirklich verabschiedet?
Schmidt: Wir fordern, dass das ElWG jetzt rasch und ohne weitere Verzögerungen beschlossen wird. Es wurde bereits ausführlich diskutiert, und seit dem Ende der Begutachtungsfrist ist mittlerweile über ein Jahr vergangen. Jetzt muss endlich eine Entscheidung fallen, damit wir vorankommen. Das EABG braucht inhaltlich möglicherweise noch etwas Diskussion, aber auch hier besteht große Dringlichkeit, da wir schnellere Verfahren benötigen. Das Ziel, beide Gesetze bis zum Sommer zu verabschieden, ist ambitioniert, aber machbar. Wir brauchen beide dringend.
Der frisch angelobte Finanzminister Markus Marterbauer hat mit einer neuen Stromsteuer für Unruhe in der E-Wirtschaft gesorgt. Gab es irgendeine Vorwarnung, dass er kurzfristig einen sogenannten „Energiewirtschaftstransformationsbeitrag“ vorschlagen würde?
Schmidt: Nein, davon wussten wir nichts. Wir waren entsetzt. Klar war nur, dass man von der E-Wirtschaft gemäß dem Plan, der nach Brüssel übermittelt wurde, jährlich einen Beitrag von 200 Millionen Euro zur Budgetsanierung erwartete. Die zusätzliche Abgabe hingegen kam vollkommen unerwartet – und zwar für die gesamte Branche. Diese hätte die Unternehmen voraussichtlich zusätzlich 240 Millionen Euro jährlich gekostet.
War das also ein schlechter Start für die neue Regierung?
Schmidt: Wenn das Regierungsprogramm eine ordentliche Koordinierung und transparente Arbeitsweise verspricht, sollte man sich auch daran halten. Maßnahmen von so großer Tragweite mit derartigen Auswirkungen überraschend einzubringen, entspricht sicher nicht dem Anspruch eines „neuen Regierens“. Wir brauchen gemeinsam erarbeitete Lösungen und keine Schnellschüsse.
Ist die neue Stromsteuer nun endgültig vom Tisch?
Schmidt: Ja, und dafür haben wir uns intensiv eingesetzt. Andernfalls wäre erheblicher Schaden entstanden – Investitionen wären eingebrochen, und die Abgabe hätte auch weitreichende Folgen auf den laufenden Betrieb gehabt, etwa beim Engpassmanagement oder beim Betrieb der Pumpspeicherkraftwerke. Im Sinne der Standortziele lehnen wir seit Jahren jede Maßnahme, die Strom verteuert, entschieden ab. Denn wenn der Strompreis steigt, stehen stets wir in der Kritik, selbst wenn wir – wie zuletzt beim Auslaufen der Krisenmaßnahmen – nicht verantwortlich sind. Eine solche Abgabe hätte zwangsläufig zu höheren Strompreisen geführt, Importe begünstigt und die österreichische Stromerzeugung geschwächt.
Wie wirken sich die geplanten Mehrbelastungen auf die Ausbaupläne der E-Wirtschaft aus?
Schmidt: Wir sind in erster Linie dazu da, die Transformation des Energiesystems voranzutreiben und nicht, um Budgetlöcher zu stopfen. Die nun beschlossene Absenkung der Erlösobergrenze auf 90 beziehungsweise 100 Euro je MWh und die Anhebung der Abschöpfungsquote auf 95 Prozent bedeuten eine finanzielle Belastung für die E-Wirtschaft. Jeder Euro, der hier abgeschöpft wird, fehlt für dringend benötigte Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien, Netze und Speicher. Positiv hervorzuheben ist, dass entgegen der ursprünglichen Pläne Investitionen in Erneuerbare zu 75 Prozent von der Abschöpfung abgesetzt werden können.
Die Regierung setzt verstärkt auf Energiegemeinschaften. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Schmidt: Grundsätzlich sind Energiegemeinschaften ein wichtiges Element für die Akzeptanz der Transformation. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Kosten fair verteilt werden. Wenn bestimmte Gruppen bevorzugt behandelt werden, indem sie reduzierte Netzentgelte zahlen, müssen andere Nutzer mehr tragen. Hier braucht es eine Lösung mit Augenmaß, um eine gerechte Lastenverteilung sicherzustellen.
„Entgegen den ursprünglichen Plänen können Investitionen in Erneuerbare zu 75 Prozent von
der Abschöpfung abgesetzt werden. Das ist grundsätzlich positiv.“
Wie sieht es mit dem Netzausbau aus? Welche Herausforderungen gibt es in diesem Bereich?
Schmidt: Der Netzausbau ist essenziell. Positiv ist, dass die Regierung Anreize für eine Digitalisierung der Netzinfrastruktur und öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten für Netzbetreiber plant. Kritisch sehen wir jedoch die verstärkte Nutzung von Erdkabeln. Erdkabel sind erheblich teurer als Freileitungen – während die Regierung von einem Kostenfaktor von etwa 1,8 ausgeht, gehen wir davon aus, dass dieser Wert deutlich zu niedrig angesetzt ist und die Mehrkosten in Wirklichkeit ein Vielfaches betragen. Weiters führt diese Bestimmung dazu, dass Netzbetreiber Gutachten erstellen müssen, um den Kostenfaktor und die technische Machbarkeit zu bewerten, was sicher nicht zu einer Beschleunigung der Verfahren führt.
Welche Maßnahmen müssen Ihrer Meinung nach dringend umgesetzt werden?
Schmidt: Die Zeit der Diskussionen ist jetzt vorbei. Nun gilt es, rasch ins Handeln zu kommen. Die Regierungsverhandlungen in ihren unterschiedlichen Konstellationen haben gezeigt, dass ein breiter Konsens vorhanden ist. Wir brauchen jetzt eine schnelle Umsetzung der angekündigten Gesetzesvorhaben und eine Sicherstellung der Investitionssicherheit. Dazu gehört auch eine klare Strategie für den Ausbau von Kraftwerken, Speichern und Wasserstoffinfrastruktur. Ebenso muss die Netztarifreform so gestaltet werden, dass sie langfristig die richtigen Anreize für eine effiziente Nutzung und den Ausbau der Netze setzt. Und nicht zuletzt erwarten wir, dass die Politik rasch Maßnahmen zur Entlastung der Stromkundinnen und Stromkunden ergreift, ohne dabei die notwendigen Investitionen in den Standort zu gefährden.
Jedem Anfang wohnt bekanntlich ein Zauber inne – diesem vielleicht etwas weniger als anderen – doch nun folgt der Übergang zur politischen Realität: Wie zuversichtlich sind Sie, dass in der kommenden Regierungsperiode tatsächlich die notwendigen Maßnahmen gesetzt werden?
Schmidt: Es gibt gute Ansätze, aber auch noch viele offene Fragen. Die E-Wirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten. Nun liegt es an der Regierung, Rahmenbedingungen zu schaffen und die angekündigten Maßnahmen umzusetzen. Bei allen Budgetdebatten sollte zudem nicht übersehen werden, dass die Transformation des Energiesystems zwar Geld kostet, aber auch ein großes Konjunkturprogramm darstellt –
gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist das sinnvoll. Bürokratieabbau, klare und verbindliche Regeln sowie die Bereitstellung geeigneter Flächen sind Maßnahmen, die ohne Mehrkosten für Steuerzahler oder zusätzliche Belastungen für das Budget umgesetzt werden können. Die Regierung hat mit ihrem geplanten „Energiewirtschaftstransformationsbeitrag“ gleich einen Tag nach der Angelobung für großen Wirbel gesorgt und am vierten Tag eine Verschärfung und Verlängerung der Abschöpfung beschlossen. Sie hat Tempo gezeigt bei Maßnahmen, die uns wehtun und der Transformation nichts bringen. Wir hoffen jetzt ebenfalls auf Tempo, wenn es um die längst notwendigen Gesetze wie ElWG und EABG geht, die wir für eine kluge und rasche Integration der Erneuerbaren ins Netz benötigen.

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