5 Fragen an Bundesministerin Leonore Gewessler
Vor genau vier Jahren, im März 2020, erschien die StromLinie in neuem Gewand, mit einem Antrittsinterview mit Ihnen am Cover. Wenn Sie zurückdenken – wo hat es seither die größten Fortschritte gegeben?
Leonore Gewessler: Wenn wir zurückblicken, ist unglaublich viel geschehen. Wir haben uns das Ziel 100 Prozent sauberen, erneuerbaren Strom bis 2030 gesetzt und haben die notwendigen Gesetze für die Energiewende geschaffen: Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und schnellere UVP-Verfahren sind beschlossen, der integrierte Netzinfrastrukturplan liegt vor, das Elektrizitätswirtschaftsgesetz war gerade in Begutachtung und das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz ist in koalitionsinterner Abstimmung. Ganz wichtig ist mir auch dabei, dass bei der Energiewende die Menschen teilhaben können. Energiegemeinschaften machen das Teilen von selbst erzeugter Energie möglich, und mit der Umsatzsteuerbefreiung auf private PV-Anlagen machen wir das Sonnenkraftwerk am eigenen Dach so einfach wie nie zuvor. All das funktioniert. Das beweisen die Zahlen.
Wo besteht noch der größte Handlungsbedarf?
Gewessler: Ein großes aktuelles Thema im Energiebereich sind sicher die notwendigen Flächen. Da ist noch Aufholbedarf. Wenn in manchen Bundesländern im Jahr 2024 noch immer kein Windrad steht, ist das weder zeitgemäß noch verantwortungsvoll und muss sich ändern, gerade in Zeiten einer globalen Energiekrise. Hier werden sicher die kommenden Jahre entscheidend sein, dass alle verstehen: Erneuerbare sind die Zukunft und sorgen für Unabhängigkeit. Da machen wir mit. Möglich ist das allemal – und die Ziele sind schon heute in Griffweite.
Mit Ende Februar ist die Begutachtungsfrist fürs ElWG abgelaufen. Wie ist der aktuelle Stand? Für wann ist der Beschluss geplant?
Gewessler: Dieses wichtige Energie-Gesetz schafft einen zeitgemäßen Rechtsrahmen für den heimischen Strommarkt und bringt klare Regeln für den gezielten und schnellen Ausbau der Stromnetze. Es ist von grundlegender Bedeutung, um die notwendige Infrastruktur für die Energiewende zur Verfügung zu stellen. Momentan sichten die Expert:innen in meinem Haus die Vielzahl an Stellungnahmen und arbeiten relevante Punkte ein, damit wir das Gesetz bis Sommer beschließen können. Das ist ein sportlicher Zeitrahmen, daher mein Appell an alle: Es gilt die konstruktiven Kräfte zu bündeln.
Die EU-Kommission hat Anfang Februar erneut ihre Klimaziele bis 2040 verschärft. Wir reden oft über Ziele, was braucht es, damit wir stärker in die Umsetzung kommen?
Gewessler: Österreich hat sich vorgenommen, bis 2040 bereits klimaneutral zu sein – und ein gutes europäisches Klimaziel unterstützt unsere Arbeit. 90 Prozent Emissionseinsparungen gegenüber 1990 ist eine ehrgeizige, aber in Zeiten der Klimakrise notwendige Ansage. Wie beim Ziel für 2030 kommt nach dem Beschluss des Zieles die Arbeit zur konkreten Umsetzung. Wir haben in den letzten Jahren mit dem Maßnahmenbündel im „Fit for 55“-Paket gezeigt: Wir füllen unsere Ziele mit Leben und schützen so unser Klima wirklich. Dafür werde ich mich auch weiter stark machen.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, weitere fünf Jahre das Klimaschutzministerium zu führen, was wären Ihre drei wichtigsten politischen Umsetzungsprojekte?
Gewessler: Grüne Klimaschutzpolitik wirkt – das zeigen uns unter anderem sinkende Emissionen und steigende Erneuerbaren-Anteile. Aber es bleibt noch viel zu tun – für diese als auch für jede weitere Regierungsperiode bis 2040. Insofern gilt im Energiebereich, den begonnenen Weg fortzusetzen und nicht beim ersten Gegenwind vom Kurs abzukommen. Das vorgeschlagene EU-Klimaziel heißt auch EU-weit 90 % Erneuerbare im Stromsystem. Da braucht es ein stabiles Investitionsumfeld, das Strommarktdesign muss mitziehen und es braucht mehr Augenmerk auf das Thema kosteneffiziente Flexibilität. Grüne Industriepolitik ist ein weiterer wichtiger Schwerpunkt. Und bei alledem Gerechtigkeit und Teilhabe ins Zentrum zu stellen – dann haben wir auch unsere Gesellschaften am Weg dabei. Wir haben noch viel zu tun!
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