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30 Jahre Forschung & Innovation: „Wir brauchen Realitätsbezug und gründliche Analysen“

Michael Schneeberger, der erste Vorsitzende des Ausschusses „Forschung und Innovation“ von Oesterreichs Energie, über dessen Anfänge und die Bedeutung der Energieforschung für die Bewältigung der Energiewende.
 

Sie waren der erste Vorsitzende des Ausschusses „Forschung und Innovation“ von Oesterreichs Energie, der vormaligen Energieforschungsgemeinschaft (EFG). Wie kam es zur Gründung der EFG?

SCHNEEBERGER: Die Gründung stand im Zusammenhang mit der Entscheidung Österreichs, aus der Kernenergie auszusteigen, und mit dem Zweiten Ölpreisschock. Bundeskanzler Bruno Kreisky veranlasste die Einrichtung der Energieverwertungsagentur, der heutigen Österreichischen Energieangentur (AEA). Diese geriet nach einigen Jahren finanziell in Schieflage. Um abzuhelfen, plante die Bundesregierung eine Forschungssteuer, die die Elektrizitätswirtschaft in Form eines Aufschlags auf die Strompreise von ein bis zwei Groschen pro Kilowattstunde einheben sollte. Der Präsident des Verbandes der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ, heute Oesterreichs Energie), Heinrich Lackner, der Generaldirektor der  Innsbrucker Kommunalbetriebe AG, opponierte dagegen massiv. Er schlug Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel vor, seitens der E-Wirtschaft eine eigene Einrichtung für  Energieforschung zu gründen, eben die EFG. Auf deren Tätigkeit sollte Schüssels Ministerium einen gewissen Einfluss haben. Dem Minister gefiel die Idee gut. In der Nacht vor dem Ministerratsbeschluss arbeiteten einige Kollegen und ich die Statuten der EFG aus. Um sechs Uhr in der Früh besprachen wir diese im Ministerium mit Sektionschef Bruno Zluwa, um 9 Uhr wurde die Gründung der EFG im Ministerrat beschlossen.

Bald darauf nominierte VEÖ-Präsident Lackner Sie als EFG-Vorsitzenden.

SCHNEEBERGER: So ist es. Ich habe diese Aufgabe gerne übernommen, denn ich hatte zwei Jahre lang mit Professor Paul Viktor Gilli von der Technischen Universität Graz in der Oil Subsitution Task Force der Internationalen Energieagentur (IEA) mitgearbeitet. Das erfolgte im Auftrag der OECD, um deren Mitgliedsländer von Ölimporten unabhängiger zu machen. Gilli war der Doyen der Energieforschung in Österreich. In der Task Force wurden etliche Fragen der Energieversorgung diskutiert, etwa das Potenzial der Solarenergie und der Windkraft. Das waren auch Themen, mit denen sich die EFG zu befassen hatte. Nicht behandeln durften wir laut den Statuten der EFG die Nuklearenergie. Bereits im Rahmen der Gesellschaft für Neue Technologien der Elektrizitätswirtschaft (GTE), der Vorgängerorganisation der EFG, hatte Gilli begonnen, in Zusammenarbeit mit der ÖMV das erste Energieflussbild Österreichs zu erstellen. Daran war auch ich beteiligt. Insoferne, aber auch in vielen anderen Fragen, bestand Kontinuität zwischen der Tätigkeit der GTE und der der EFG. Ein Problem bei der GTE war immer die Finanzierung. Bei fast jedem Projekt wurde diskutiert, ob es notwendig ist. Mit der Etablierung der EFG gelang es, die gemeinsame Forschungstätigkeit der österreichischen E-Wirtschaft finanziell dauerhaft abzusichern.

Wie beurteilen Sie die seitherige Entwicklung der EFG?

SCHNEEBERGER: Die Palette an Themen wurde mit der Zeit immer breiter. Natürlich hatten wir uns auch mit der  Energiemarkt-Liberalisierung in Österreich zu befassen. Hilfreích erwies sich dabei, dass es mir gelungen war, einen an einem Energieforschungsinstitut in Kalifornien tätigen Österreicher hierher zurückzuholen. Er hatte die Entwicklungen und Fehlentwicklungen bei der Liberalisierung des dortigen Energiemarktes gesehen und erlebt. So konnte er wertvolle Erfahrungen einbringen. Organisatorisch wichtig für die EFG war die Einbindung der Verbundgesellschaft. Das war sehr befruchtend und hat unter anderem dazu geführt, dass wir die erste große Solaranlage Europas in Österreich errichten konnten. Unter meinem Nachfolger Heinz Kaupa befasste sich die EFG stark mit Leitungsfragen. Auch da gab und gibt es enormen Forschungsbedarf.

Welche Bedeutung hat die Energieforschung heute? Mit der Energiewende steht die E-Wirtschaft nach einhelliger Auffassung vor einer nie dagewesenen Transformation.

SCNEEBERGER: Diese Transformation kann man ohne Energieforschung nicht bewältigen. Wichtig sind insbesondere Realitätsbezug und gründliche wirtschaftliche Analysen. Noch immer beruhen 80 Prozent der Energieversorgung Österreichs auf Kohle, Öl und Erdgas. Es ist klar, dass wir davon wegkommen müssen, wegen des Klimaschutzes, aber auch wegen politischer Abhängigkeiten. Europa und Österreich haben sich etwas gelöst von der Erdölabhängigkeit, sind aber stark auf Erdgasimporte angewiesen. Das macht uns erpressbar. Es ist also notwendig, nach Auswegen zu suchen. Wir müssen dabei allerdings realistisch sein. Beispielsweise wird diskutiert, die Stahlproduktion in Österreich auf Wasserstoff umzustellen. Aber für die Erzeugung der dafür erforderlichen elektrischen Energie würde man 14 bis 16 große Donaukraftwerke brauchen. Ich fürchte, hier werden Illusionen verbreitet, gerade auch von Politikern mit überschaubarer Sachkunde. Persönlich glaube ich, es wird notwendig sein, sich ernsthaft mit der Nutzung der Kernenergie auseinanderzusetzen. Etwa 30 Staaten von Saudiarabien bis Polen wollen in diese einsteigen, nicht zuletzt aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit. Auch Österreich sollte sich dieser Diskussion meiner Ansicht nach nicht verschließen. Aber das ist nicht die Position von Oesterreichs Energie. Und mir ist klar, politisch ist das unrealistisch.

Für dringend nötig halte ich auch, die energiewirtschaftlich relevanten internationalen Umweltabkommen genau zu hinterfragen. Da ist sehr viel im Fluss, etwa, was die Frage der Auswirkungen der Methanemissionen auf das Weltklima betrifft. Ich war im Jahr 1997 bei den Verhandlungen über das Kyotoprotokoll. Insbesondere auf Druck Chinas wurde damals festgelegt, die Klimawirksamkeit einer Tonne Methan mit dem 21fachen einer Tonne CO2 zu bewerten. Aus wissenschaftlicher Sicht müsste sie jedoch mit dem 80fachen festgesetzt werden. Es ist daher anzunehmen, dass etliche Änderungen im Weltklimasystem, die wir derzeit beobachten, auf Methanemissionen zurückzuführen sind. Mit allen diesen Fragen muss sich die Energieforschung auseinandersetzen. Sie ist heute noch viel wichtiger als vor 30 Jahren.

Zur Person

Dipl.-Ing. Dr. Michael Schneeberger absolvierte das Studium der Physik an der Technischen Universität Wien sowie an der renommierten Faculté des Sciences d´Orsay in Paris. Nach langjähriger leitender Tätigkeit im Kraftwerksbaubereich der Siemens AG trat er 1979 in die Energie AG Oberösterreich ein, die damalige OKA. Von 1987 bis 2002 war er Mitglied des Vorstands der Energie AG und trieb in dieser Funktion technische Innovationen voran, von Wärmepumpen über Brennstoffzellen bis zur Photovoltaik. Seit seinem Übertritt in den Ruhestand ist Dr. Schneeberger mit Forschungs- und Beratungstätigkeiten im Energiesektor befasst, etwa am Institut Laue-Langevin in Grenoble in Frankreich, einer weltweit führenden Einrichtung auf dem Gebiet der Neutronenforschung.

Hinweis: Interviews geben die Meinung des Gesprächspartners wieder und müssen nicht den Positionen von Oesterreichs Energie entsprechen.