20 Jahre Strommarktliberalisierung
Vor zwanzig Jahren hat Österreich als eines der ersten Länder Europas seinen Strommarkt liberalisiert. Wir blicken daher zurück, wir schauen in die Zukunft. Und wir lassen zwanzig prominente Stimmen zu Wort kommen, die das Geschehen von damals und die Energiezukunft von morgen reflektieren.
Ein Blick zurück
Früher war am österreichischen Strommarkt vieles anders: Kunden waren Abnehmer und es gab behördlich festgelegte Tarife.
Bis zur Jahrtausendwende, genauer gesagt bis zum Jahr 2001, hatte der Kunde in Österreich bei der Wahl des Elektrizitätslieferanten keine Wahl – er war dem regionalen Monopolunternehmen zugeordnet. Seit inzwischen zwanzig Jahren herrscht aber freier Wettbewerb.
Der am 1. Oktober 2001 vollzogenen, völligen Strommarktliberalisierung sind sieben Jahre intensiver Vorbereitungszeit vorausgegangen. Dass die Zeit der Monopole zu Ende gehen soll, hat die Europäische Union bereits 1996 mit der sogenannten ersten Binnenmarktrichtlinie für Elektrizität festgelegt. Von da an folgte ein Meilenstein auf den anderen. 1998 setzte Österreich die Richtlinie in nationales Recht um, 1999 wurde der Strommarkt für Großabnehmer geöffnet, zwei Jahre später gab es schließlich die völlige Liberalisierung. Womit Österreich zu den ersten Ländern der EU zählte, die diesen Schritt setzten.
Unumstritten war das damals nicht. Konsumentenschützer warnten vor einem Tarifdschungel und unfairen Angeboten, andere sahen die Versorgungssicherheit in Gefahr und man fürchtete auch, bei einer europaweiten Marktöffnung, die mit Stichtag 1. Juli 2017 auch tatsächlich realisiert wurde, würden die österreichischen Anbieter gegen eine übermächtige internationale Konkurrenz den Kürzeren ziehen. Nichts davon geschah. Im Gegenteil: Sowohl aus Anbietersicht als auch aus jener der Konsumenten wurde die Liberalisierung zu einem Erfolg.
Das Unbundling, die rechtliche, organisatorische und buchhalterische Entflechtung von Netz, Erzeugung und Vertrieb, ermöglichte auch kleineren Anbietern einen Eintritt in den Markt, ohne dabei Nachteile gegenüber den großen, alteingesessenen Playern zu haben. Um die Interessen von Kunden zu wahren, wurden unabhängige Regulierungsbehörden eingerichtet, in Österreich die E-Control. Die EU setzte auch Maßnahmen um, die in einem liberalisierten Markt die Versorgungssicherheit garantieren.
2009, mit dem dritten Binnenmarktpaket, stärkte die Union die Rechte der Verbraucher, sorgte für weitere Erleichterungen beim Marktzugang und gab den Regulierungsbehörden mehr Befugnisse. Österreich setzte diese Vorgaben 2010 in nationales Recht um.
Einen freien Markt in einem strategisch so wichtigen Bereich wie der Stromversorgung zu schaffen, war alles andere als trivial. Die Gesetze, Verordnungen, Marktregeln und technischen Regeln, die dafür sorgten, dass es dennoch gelang, sind daher durchaus umfangreich: In Summe betragen sie inzwischen rund 1.900 Seiten.
Was die Zukunft bringen wird
Die Ziele, die der European Green Deal vorgibt, sind ambitioniert: Bis 2050 will die Europäische Union klimaneutral werden.
Österreich strebt an, seinen Gesamtstromverbrauch schon 2030 bilanziell aus erneuerbaren Energiequellen zu decken. In der Folge soll unser Land laut Regierungsprogramm bis 2040 klimaneutral werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen unter anderem Strom-Erzeugungskapazitäten von rund 27 Terawattstunden neu errichtet werden. Das entspricht ungefähr dem, was zwei Millionen kleine Photovoltaik-Anlagen, tausend Windräder und fünf große Wasserkraftwerke erzeugen – oder anders gesprochen fast dem, was Dänemark aktuell an Strom verbraucht. Doch nicht nur das. Um erneuerbare Energien in diesem Ausmaß nützen zu können, muss Österreich auch massiv in Speicherkapazitäten und neue Speichertechnologien investieren.
Ebenso müssen die Netze einschließlich moderner Kommunikationsinfrastruktur darauf vorbereitet werden, dass mit dem weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien die Zahl der Einspeiser massiv steigen wird. Auf der Nutzerseite wiederum ist mit stark steigendem Leistungsbedarf für E-Mobilität, aber auch für Wärmepumpen zu rechnen, denn schließlich sollen der Straßenverkehr und die Beheizung von Gebäuden auf klimafreundliche Alternativen umgestellt werden. Zusätzlicher Strom wird in Zukunft aber auch benötigt, um Pumpspeicher zu füllen, die dann Energie liefern, wenn andere Stromerzeuger eine kurzfristig erhöhte Nachfrage nicht abdecken können.
Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das im Juli dieses Jahres beschlossen wurde, sind nun auch die rechtlichen Weichen für einen zügigen Umbau der österreichischen Energiewirtschaft gestellt. Das Gesetz erleichtert unter anderem die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen auf Dach- und Freiflächen, soll in Zukunft Standortnachteile bei der Windkraft ausgleichen, fördert Elektrolyseanlagen zur Herstellung von Wasserstoff, ermöglicht den weiteren Ausbau der Wasserkraft, sichert den Bestandserhalt bei Biomasse-KWK-Anlagen und lässt auch Energiegemeinschaften zu, die erneuerbaren Strom erzeugen und dann selbst entscheiden, ob sie ihn verbrauchen, speichern oder verkaufen wollen.
Ökonomisch kann der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren zu einem wichtigen Konjunkturmotor werden. Denn um die österreichischen Klimaziele zu erreichen, werden allein im Stromsektor Investitionen von rund 25 Milliarden Euro nötig sein, 18 Milliarden davon können nationale Wertschöpfungseffekte auslösen und damit mehr als 100.000 Vollzeitarbeitsplätze schaffen.